Datum: Mon, 8 Aug 2005 21:49
Betreff: Holland - Frankreich 2:0

Der Masterplan – oder wie macht man ein scheinbar freiwilliges Publikum zu Abhängigen

Schritt 1
Man bewerbe einen beliebig erscheinenden Samstagabend mit einem sogenannten Open Air, versichere, es sei kostenlos und eine Riesenschau. Im Vorfeld arrangiert man sintflutartige Stürme in anderen Teilen der Republik und im benachbarten Ausland, lässt aber im Zielgebiet unbarmherzig die Sonne wüten, um damit den Durst der hilflosen Zuhörerschaft anzufixen. Zudem gestatte man eine Pseudo-Fussball-WM, die den diese Ignorierenden suggeriert, zu einer fussballverachtenden Elite zu gehören. Man wähle einen beschaulichen Platz zur Sendung der unterschwelligen Hypno-Messages, stelle Bier und Brezen bereit, das Feld ist somit eingesät.

Schritt 2
Man heuere freundliche aber nicht argwöhnische Troubadoure aus der Fremde an, füttere sie mit Bier an und verdinge sie zu hingabevollem Saitenspiel. Wichtig dabei, lasse die Gaukler im Glauben, eigenständig agieren zu können, auch die ärmsten Bauern leisten unter Zwang nur einen Bruchteil der erwünschten Charisma-Leistung. Man heuere unter den selben Voraussetzungen einen hiesigen Showmaster an.

Schritt 3
Man beginne mit einem Paukenschlag, hierfür eignen sich naturgemäss Punks. Im vorliegenden Fall Motorkopp aus Mainz. Die 4 Queens treten in Anzügen auf, das noch spärliche Publikum riecht die Subversion und delektiert sich an den Gesängen und dem harten Beat. Nun muss natürlich ein verbindendes Moment her. Da man auf die platte Schiene mit Regenschauer verzichten will, genügt der Auftritt zweier als Polizisten verkleideter Hools, die verbiestert dreinschauend die Veranstaltung schon gegen Ende des ersten Sets in Frage stellen. Man bringe einige wohldosierte Gerüchte über den selbstverständlich überzogenen Inhalt der Beschwerden in Umlauf und schon schweisst ein Lauffeuer an Gerede Band und Publikum zusammen. Nun sorge man für den Abbruch des Auftritts, selbstredend haben die Punks die Gelegenheit genutzt, ein bis zwei heitere staatsmachtunfreundliche Songs zum Besten zu geben, das Gemeinschaftsgefühl der unterdrückten Hedonisten ist auf dem Höhepunkt und wird fortan jedem neuen Besucher weitergereicht. Der Domino-Effekt.

Schritt 4
Da nun die Stimmung keinesfalls in Einzelaktionen zerbrechen darf, nehme man zur Homogenisierung eine weitere Kapelle, zwar aus dem weiten Rockspektrum, jedoch nicht zu individualistisch. Der Eigeweihte delektiert sich am Surfsound der Freiburger Leopold-Kraus-Wellenkapelle, der weniger informierte Zuhörer glaubt sich im Oldies-Radio live dabei zu sein. An diesem Punkt beende man das Fussballländerspiel, nicht umsonst war der Austragungsort in der Nachbarstadt, um einen Zugriff hierauf zu erleichtern. Der einsetzende Zustrom gesellt sich zu einem scheinbar klassischen fröhlichem Open Air Publikum. Man lasse die ersten Tanzenden vor die Bühne der Kings of Surf.

Schritt 5
Die Saat geht auf. Hierzu ziehe man den Joker mit Zea, einem Duo aus Amsterdam. Nach den rüpelnden Anheizern und den Beatgentlemen verblüffe man die Zuhörerschaft mit einer absonderlichen Mixtur aus feinstem Pop zu einer Melodie-Punk-Gitarre, zersetzt mit zischend brodelnden Samples, die die Puderzucker-Süsse der Songs verätzt und gerade kurz vor der Disharmonie wieder entlässt, ein kurzes Aufblühen gestattet, um wiederum zu demontieren. Dem derart gefesselten Publikum gelingt nun kein Entrinnen mehr, die unterschwellige Rock´n´Roll-Botschaft erreicht selbst die hintersten Ränge, es wird getanzt, getrunken und gelacht. Man mache der Sache ein frühes Ende. Völlig entfesselte machen sich über das Merchandise der Bands, allen voran ZEA her. Motorkopp-CDs werden an einer zarten Creme von Rasierschaum gereicht.

Schritt 6
Unter dem Vorwand Sommer-und Urlaubspause lasse man die nun Abhängigen darben, verweise auf den September, ab dann beginne man wieder mit Live-Gigs im angestammten Zuhause des gepflegten Undergrounds, dem nun einer breiten Masse bekanntgemachten kunstkeller. Das Sommerprogramm besteht aus mehreren Tanzveranstaltungen der Asse des Indiepopteams und vom Connect.

Euer bescheiden gebliebener Erzähler verweist auf (k)eine kommende Veranstaltung:
Der lange angekündigte Gig der Franzosen Flying Donuts am Samstag, 13. August findet nicht statt. Immerhin 9 Tage vor ihrem Auftritt sagte die Band ab.


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